Uni-Schizophrenie

Am Montag waren wir in Tübingen unterwegs und haben beschlossen, der Universität einen Besuch abzustatten. Das Thema des Seminars für Erziehungswissenschaftler, das wir uns ausgeguckt haben, ist Heterogenität.

Gespräch mit dem Prof im Vorhinein:

Ein aufgeschlossener, junger Typ. Er ist interessiert, erzählt auch gleich, dass er selbst ein Buch über Bildungstheorien im Idealismus geschrieben hat.

Aber auf unsere Frage, ob wir etwas Zeit bekommen in seinem Seminar, um mit ihm und den Studenten über die Zukunft der Bildung, über unsere Ideale und Hoffnungen zu diskutieren, wird er etwas in die Enge gedrängt. „Ja… das ist ein standardisiertes Seminar, also ich muss einen bestimmten Inhalt unterbringen, weil ich auf den Test vorbereite, den jeder Student machen muss.“ Er windet sich etwas. „Ist so ein Folien-Vortrag, das mag ich besonders!“ meint er ironisch „Da geht’s nicht darum, dass man selbst denkt…“ Irgendwer aus unserer Gruppe reißt einen Witz darüber, dass dieses Thema „Heterogenität“ in einem standardisierten Unterricht jedem reingebügelt wird, und er lacht mit.

„Ja, da gibt’s auch viele spannende Autoren, die zu diesem Thema schreiben!“ Meint er und wir lachen wieder.

Ich frage mich, ob ihm die Ironie dieser Situation bewusst ist. Dass wir das alles in der Theorie wissen, aber die Praxis soo weit davon entfernt ist. Dass man nicht mal den Versuch unternimmt, das Wissen, wie es sein sein könnte, oder seine Ideale in die eigene Wirklichkeit umzusetzen.

Diese Schizophrenie tut mir innerlich weh.

Wir einigen uns mit ihm darauf, dass wir uns mit ins Seminar setzen dürfen und an dem Punkt, an dem es passt, in die Diskussion mit den Studenten kommen können.

 

Mit unseren großen Rucksäcken auf dem Rücken entern wir also den Seminarraum und ernten einige erstaunten Blicke. Der Dozent gibt uns „Gästen“ ein paar Sekunden Zeit, uns vorzustellen, bevor er mit seinem Unterricht beginnt. Er wirkt irgendwie unsicher zu Beginn. Ob das daran liegt, dass wir im Vorhinein über die Absurdität dieses Seminar gesprochen haben? Falls dieses Gespräch Auslöser für seine Unsicherheit ist, hat es ansonsten nicht viel bewirkt. Eine halbe Stunde lang redet der Dozent wie ein Wasserfall, klickt sich von Folie zu Folie in der Powerpoint-Präsentation. Alles rein frontal. Eine Folie mit dem Titel „Kurzes Brainstorming: Erscheinungsformen von Heterogenität“ erscheint. Er wirft die Frage in den Raum und die Studenten versuchen zu erraten, was er hören will.

Ich finde diese Situation fast unerträglich und fange an, all das hier aufzuschreiben. Das hilft mir etwas, da habe ich das Gefühl, wenigstens ein bisschen was sinnvolles zu tun…

Plötzlich wird die Situation kurz aufgebrochen.

„Darf ich eine Frage stellen?“ fragt Fiona den Dozenten. Und wendet sich dann an die Studenten: „Fühlt ihr euch hier in diesem Studiengang als einzigartige Wesen gesehen und gefördert?“ Ein paar Studenten murmeln unruhig, ansonsten herrscht erstmal Stille und Anspannung. Bis dann ein Student antwortet „Die ersten Semester sind halt sehr standardisiert. Aber dann… finde ich schon. Also ein Problem ist halt auch die Größe der Seminare.“ Was und wie er es sagt klingt irgendwie banal und ich frage mich, ob er verstanden hat, wie die Frage gemeint war. Nämlich, ob er sich als Mensch gesehen fühlt, nicht wie gut oder schlecht die Betreuung ist.

Aber der Prof übernimmt schnell wieder das Ruder und geht zurück zu seiner Folie.

 

Etwas später geht er dann nochmal auf uns ein: „Ihr habt ja auch einen gesellschaftlichen Anspruch. Habt ihr da schon eine konkrete Utopie?“ „Nein“ meint Emil. Und Fiona fügt hinzu „Aber wir sind auf der Suche danach.“

„Ja dann könnte Heterogenität für Sie ja spannend sein.“ Plappert der Dozent wieder in einem Tempo weiter, dass ich mich auch nicht traue, noch etwas dazu zu sagen. „Ja!“ schreit es in meinem Kopf „Darum geht es doch!“

Das ist nicht nur ganz interessant, sondern essentiell! Es geht mir um die Menschen. Und die Menschlichkeit. Und ich bin davon überzeugt, dass diese nur zur Entfaltung kommen können, wenn wir Mut zur Heterogenität, Diversität, vielleicht sogar Chaos finden.

Aber in diesem Seminar geht es ziemlich frontal weiter mit den standardisierten Folien, auf einer sehr abstrakten, theoretischen Ebene.

„Wenn man sich viele sehr erfolgreiche Menschen ansieht, z.B. Steve Jobs, dann sind die genau deshalb so erfolgreich, weil sie aus diesem homogenen System ausgestiegen sind und ihren Weg gegangen sind!“ wirft Fiona eine Bemerkung ein, die wieder diese Theorieblasen, die im Raum schweben, kurz zum Platzen bringt.

Ich finde es irgendwie spannend zu sehen, wie Fiona oder Leonie argumentieren, die selbst noch in diesem System Schule stecken, die von ihren Erfahrungen und vom Leben sprechen, im Unterschied zu den Studenten, die vieles sehr abstrakt betrachten…

 

 

Inzwischen belebt sich die Situation etwas und die Studenten melden sich auch mit einigen Fragen. Als der Dozent das Thema Gemeinschaftsschule aufwirft und auf Studien verweist, die besagen, dass Lehrer an Gemeinschaftsschulen deutlich gestresster sind als an normalen Schulen, wird die Diskussion lebendig.

 

 

„Was will man denn? Will man, dass der Schüler top in Englisch wird? Dann ist es schon sinnvoll, ihm mit 3 Jahren schon Englisch beizubringen!“ Meint ein Student, in der inzwischen heißen Diskussion über frühkindliche Bildung und ihre Berechtigung. „Es geht hier halt um die Frage nach dem Menschenbild!“ werfe ich da ein „die liegt dieser ganzen Diskussion doch zugrunde. Will ich die Schüler fit machen um sie dann perfekt vorbereitet in den Arbeitsmarkt einzuspeisen? Oder worum geht’s mir?“

Aber hier wird die Diskussion dann abgewürgt vom Dozenten: „So, wir wollen jetzt zwar gerne weiterdenken, aber das ist nicht funktional, weil wir wollen ja auch die Klausur schreiben. Also gehen wir jetzt schnell weiter, sonst bleiben wir noch am Wesentlichen hängen.“ (Das sagt er wortwörtlich so! Nur falls hier Zweifel aufkommen sollten…) wir lachen und einige Studenten lachen verhalten mit. Auch wenn mir mehr nach heulen zumute ist. Ich lasse meinen Kopf verzweifelt auf den Tisch fallen. „Ja“, fährt der Dozent fort, „das war die Moderne: dass man alles durchdringen wollte. Davon haben wir uns in der Postmoderne verabschiedet. Wir produzieren schneller, als wir denken können. Merkt man ja auch hier: 60 Folien in einer Sitzung, kann sich doch kein Mensch merken. Aber macht nix!“ Und er öffnet die nächste Folie mit irgendeiner Tabelle.

Ein versteckter Zyniker, dieser Dozent. Ich bin mir nicht sicher, ob die Absurdität nur uns auffällt, die wir schon seit zwei Wochen mit unseren Rucksäcken durch die Lande ziehen. Die wir ein Wunder des Lebens nach dem anderen erleben durften und tiefe, menschliche Begegnungen. Die wir einen Geschmack von echtem Leben bekommen haben und eine Ahnung davon, was wirklich wesentlich ist. Merken die Studenten, die nichts anderes kennen, als dieses System, wie schizophren die Situation ist, in der sie stecken? Verstehen sie den schwarzen Humor ihres Dozenten? Ich bin mir nicht bei allen sicher, dass sie es verstehen…

Viele sind auch mit anderen Dingen beschäftigt, einer spielt Schach auf dem Computer, andere tippen auf dem Handy herum oder gucken unbeteiligt in die Leere.

 

Das Seminar geht in einem Affenzahn weiter und essentielle Themen, wie die Frage einer Studentin, wie genau das in der Praxis möglich ist, heterogenes Lernmaterial zur Verfügung zu stellen, in zwei, drei Sätzen abgehandelt.

 

 

Eine Studentin spricht das Thema ADHS an und das Problem, dass Kinder mit dieser Diagnose oft sehr intelligent sind, aber trotzdem schlechte schulische Leistungen erbringen, weil sie sich nicht konzentrieren können. Daraufhin gibt der Dozent ein kurzes Statement zu Schultests: „Der Test in der Schule gibt nicht das Mathematik-Wissen wieder, sondern das Sitzfleisch. Er ist also nicht valide, weil er etwas anderes misst, als er vorgibt.“

 

Zum Ende wird noch kurz in wenigen Minuten das Thema „Gerechtigkeitsprinzipien und Grundhaltungen / Maximen“ reingepresst. „Das ziehen wir einfach durch, ganz funktional“ meint der Dozent dazu. „Da dürfen Sie nicht zu philosophisch drauf gucken, sonst werden Sie traurig.“ Um ehrlich zu sein, macht mich schon diese Aussage ziemlich traurig. Und die Tatsache, dass die Frage nach den Grundhaltungen zwei Minuten vor Seminarende bekommt.

Es geht auf der einen Seite um gesellschaftliche Anpassungsleistung, auf der anderen um normatives Wunschdenken. Und die Frage, was von beiden adaptiver ist. Da wir auf dem Arbeitsmarkt mehr kreative Köpfe brauchen, wird sich zweiteres mehr und mehr durchsetzen, meint der Dozent knapp und damit ist die heutige Sitzung beendet. Wir klopfen auf die Tische, die Studenten packen ihre Laptops und Blöcke ein und verlassen den Raum. Ich hiefe mir meinen Rucksack auf den Rücken, und wir Funkenflieger finden uns zwei Minuten später im Hof wieder, bei einer heftigen Diskussion über dieses Seminar. Wir sind ziemlich fassungslos und geladen. Ein Student aus dem Seminar stößt dazu, der mehr darüber wissen möchte, was wir machen und warum. Er versichert uns, dass das noch eines der besseren Seminare ist, die er hat.

Inzwischen läuft er für einige Tage zusammen mit seiner Mitbewohnerin mit und studiert in der Stuttgarter Wander-Studiengruppe.

-Von Alia

Kommentare (13) Schreibe einen Kommentar

  1. Erschütternd! Aber leider nicht unerwartet, sondern nur die konsequente Weiterführung des „Systems Schule“. Toll, dass ihr euch da hinein begebt und das dann bewusst (!) aushaltet – im Gegenteil zu den StudentInnen.
    Kennt ihr das Buch „Verdummt noch mal! Dumbing us down!“ von John Tailor Gatto? Sehr lesenswert. Schockierend, aber vollkommen zutreffend…
    Lasst euch nicht entmutigen, was ihr tut ist außerordentlich wichtig und inspirierend! 🙂

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  2. ja, ich verstehe gut, was euch da …. wütend und traurig macht…. andererseits: was habt Ihr erwartet?…. und: immerhin (!) ist der Dozent ein „Zyniker“ und sich der relativen Absurdität bewusst…. (auch wenn wohl nicht alle Studenten das überhaupt mitkriegen, was ich in gewisserHinsicht viel schlimmer finde). Aprospos „absurd“…. sooooo absurd finde ich das nicht einmal…. bei einem solchen „Grundlagenseminar“ und dann noch im Bologna-System kann man nicht mehr erwarten…. Nur hoffen. Hoffen darauf, dass trotzdem was hängen bleibt, dass trotzdem und „nebenbei“ durch den Zwang der Sekundärliteratur doch was angeregt wird…. Immerhin können nicht alle Studenten völlig vernagelt sein… 🙂

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  3. Liebe Alia, liebe Funkenflugläufer,

    ich möchte diese Gelegenheit ersteinmal nutzen um Euch zu sagen, wie schön und ermutigend ich es finde, dass ich Eure Ideen, Träume, Freiheit und Tatkraft aktiv in die Hände nehmt und Euch auf solch eine Bildungsreise begebt.
    Und doch auch möchte ich auf diesen Bericht zurückkommen, er hat mich sehr aufgewühlt, von zweierlei Seiten- die eine fassungslose und doch mit wenig Erstaunen über die Situtation in dem Seminar, die andere über die Art und Weise des Artikels.
    Zu lezterem: Ich kann mir sehr gut vorstellen und nachempfinden in welch aufgewühltem und teilweise schmerzvollen Zustand der Artikel geschireben wurde, und doch spricht für mich die Enttäuschung und das Unfassbare durch eine Sprache die mich an dieser Stelle nicht weniger berührt und aufgewühlt hat.

    „Was und wie er es sagt klingt irgendwie banal und ich frage mich, ob er verstanden hat, wie die Frage gemeint war“

    „Merken die Studenten, die nichts anderes kennen, als dieses System, wie schizophren die Situation ist, in der sie stecken? Verstehen sie den schwarzen Humor ihres Dozenten? Ich bin mir nicht bei allen sicher, dass sie es verstehen…“

    Aus diesen Stellen spricht für mich so sehr ein Sarkasmus (der sicherlich an einigen Stellen angebracht ist) und eine – spitz ausgedrückt- leichte Überheblichkeit (vieleicht trifft es das nicht ganz genau, mir mag im Moment nicht das rechte Wort einfallen) aus dem Geschriebenen. Ich denke, dass sich viele Studenten sehr wohl ihrer Situation und der der Universitäten bewusst sind, und doch ist der Schritt zum aktiven Verändern mit viel Mut verbunden, nicht jeder hat die Energie und den Mut sich wie ihr auf diesen Weg zu begeben. Und wer weiß, was in den Köpfen in diese Moment eurer Anwesenheit vorgegangen ist? – zeigt nicht der eine Student der sich Euch anschloss, dass es sich nicht nur um eine homogene Gruppe Studenten „des Systems“ handelte?
    Ich glaube was ich mir bei dem Artikel gewünscht hab ist, dass ihr Euch bewusst seid, dass es fantastisch ist was ihr auf die Beine stellt, und dass es aber eben auch ein mutvoller und priviligierter Schritt ist den ihr tut. Dass ihr die Kraft findet das Privileg (damit meine ich, dass es aus vielfältigen Gründen nicht jedem möglich ist sich die Zeit zu nehmen für eine solche Lebensbildungsreise, es ein Geschenk ist die Unterstützung für ein solches Vorhaben zu bekommen, sei es finanziell, moralisch usw.) zu nutzen um Anstöße zum Nachdenkenzu geben (was ihr in jedem Falle tut bin ich mir sicher) und dabei nicht vergesst, dass es darum geht Menschen zu begeistern und zu überzeugen, dass es Zeit für einen Wandel ist- und eben nicht diese etwas von oben herunterschauende Perspektive einzunehmen. Die will ich an dieser Stelle niemandem im Generellen unterstellen, doch impliziert der Artikel dies ein wenig- vielleicht, sicherlich sogar, aus dem Affekt der Bestürzung – das hat mich dennoch ein wenig traurig gestimmt. Manchmal kommt da ein wenig der bittere Beigeschmack des Vorwurfs hoch, dass es sich bei Studenten an staatlichen Universitäten um unbewusste, unreflektierte Menschen handelt. Ich bin selbst Studentin und an vielen Stellen stellen sich mir fundamentale Fragen gegenüber der Struktur in vielen Studiengängen. Und doch sehe ich es ebenso als Chance und Geschenk, Meinungen und Gegebenheiten die mir manchmal schwer fallen anzunehmen, als Anlass zu nehmen Dinge von anderen Seiten zu beleuchten, zu hinterfragen und dann vielleicht als Anlass zu nehmen eine verändernde Bewegung anzustoßen.
    Manchmal kann ein kleines rollendes Steinchen im großen Unibetrieb eine funkenflugartige Bewegung im Uni“system“ zur Folge haben. Ganz von innen heraus.
    Die Entscheidung eine Universität zu besuchen ist für mich daran gekoppelt, dass ich mir bewusst bin, dass es sich um einen Ort der Theorie handelt, der wissenschaftlichen Praxis. Und auch an der Uni gibt es wahnsinnig engagierte Professoren, Dozenten und Studierende die versuchen trotz des Drucks der Bolognareformen und all der erschlagenden bürokratischen Folgen eine Bildung in vielfältiger Weise zu ermöglichen.

    Gern möchte ich nun am Ende noch einmal deutlich sagen, dass ich mich nicht in einer trotzigen Gegenreaktion zu Eurem Lauf sehe. Sondern ich es wunderbar und bewegend finde (!!!)- ich mir aber ebenso wünschen würde, dass an dieser (öffentlichen…) Stelle ein wenig mehr Vorsicht benützt wird im Ausdruck des Erlebten, da es sehr schade wäre wenn dies bei Menschen die sich innerhalb der staatlichen Bildungseinrichtungen bewegen eine Verteidigungsstellung hervorrufen würde anstatt Austausch, Bereicherung und Dialog..

    Nun wünsche ich Euch einen fruchtvollen weiteren Weg!

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    • Liebe Lilalu,

      Güte, Mitgefühl und Demut sind schöne Tugenden glaube ich, und am schönsten finde ich die Tugend, zu verzeihen wenn sie gerade nicht sichtbar sind.

      Vielleicht trafen im Seminarraum Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinander:
      Einerseits eine Gruppe mit dem Bedürfnis nach Sicherheit, Anerkennung und Vorhersehbarkeit, und auf der anderen Seite eine Gruppe, in der vielleicht das Bedürfnis nach Respekt, Wertschätzung, Selbstbestimmung, Authentizität, Kreativität und Spontaneität im Vordergrund steht.

      Wenn Gruppen, bei denen unterschiedliche Bedürfnisse im Vordergrund zu stehen scheinen, zusammentreffen, finde ich das eher einen Grund zum Feiern, als für Streit.

      Beide, so meine ich, verbindet das Bedürfnis, gesehen zu werden, und nach Anerkennung der eigenen Bedürfnisse. Welch ein Fest, würden sie alle gesehen … !

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  4. Ich bin mir nicht ganz sicher ob eine (zudem recht holprige) Überlegenheitsrethorik (a la „wir“ und „die Anderen“) der vermeintlich illuminierten Aufklärer und Aufklärerinnen (Zitat: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Absurdität nur uns auffällt, die wir schon seit zwei Wochen mit unseren Rucksäcken durch die Lande ziehen. Die wir ein Wunder des Lebens nach dem anderen erleben durften und tiefe, menschliche Begegnungen. Die wir einen Geschmack von echtem Leben bekommen haben und eine Ahnung davon, was wirklich wesentlich ist. Merken die Studenten, die nichts anderes kennen, als dieses System, wie schizophren die Situation ist, in der sie stecken? Verstehen sie den schwarzen Humor ihres Dozenten? Ich bin mir nicht bei allen sicher, dass sie es verstehen…
    Viele sind auch mit anderen Dingen beschäftigt, einer spielt Schach auf dem Computer, andere tippen auf dem Handy herum oder gucken unbeteiligt in die Leere“ Zitatende) hier zu einem fairen Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung über dieses durchaus interessante Thema beiträgt. Ich bin mir einfach nicht sicher.

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  5. Leider ist es immer das Gleiche: Durch Standartisierung und Verschulung
    verlernen die Studenten das eigenständige Denken und werden dadurch immer besser angepasst. Mit dem armen Dozenten ist ja das Gleiche passiert, auch er traut sich nicht mal für 5 Minuten ein bisschen aus seinem standartisierten Vortrag
    auszubrechen.
    Dabei könnte er es.

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  6. Liebe Alia, liebe Funkenflugläufer,
    ich möchte diese Gelegenheit ersteinmal nutzen um Euch zu sagen, wie schön und ermutigend ich es finde, dass ich Eure Ideen, Träume, Freiheit und Tatkraft aktiv in die Hände nehmt und Euch auf solch eine Bildungsreise begebt.
    Und doch auch möchte ich auf diesen Bericht zurückkommen, er hat mich sehr aufgewühlt, von zweierlei Seiten- die eine fassungslose und doch mit wenig Erstaunen über die Situtation in dem Seminar, die andere über die Art und Weise des Artikels.
    Zu lezterem: Ich kann mir sehr gut vorstellen und nachempfinden in welch aufgewühltem und teilweise schmerzvollen Zustand der Artikel geschireben wurde, und doch spricht für mich die Enttäuschung und das Unfassbare durch eine Sprache die mich an dieser Stelle nicht weniger berührt und aufgewühlt hat.
    “Was und wie er es sagt klingt irgendwie banal und ich frage mich, ob er verstanden hat, wie die Frage gemeint war”
    “Merken die Studenten, die nichts anderes kennen, als dieses System, wie schizophren die Situation ist, in der sie stecken? Verstehen sie den schwarzen Humor ihres Dozenten? Ich bin mir nicht bei allen sicher, dass sie es verstehen…”
    Aus diesen Stellen spricht für mich so sehr ein Sarkasmus (der sicherlich an einigen Stellen angebracht ist) und eine – spitz ausgedrückt- leichte Überheblichkeit (vieleicht trifft es das nicht ganz genau, mir mag im Moment nicht das rechte Wort einfallen) aus dem Geschriebenen. Ich denke, dass sich viele Studenten sehr wohl ihrer Situation und der der Universitäten bewusst sind, und doch ist der Schritt zum aktiven Verändern mit viel Mut verbunden, nicht jeder hat die Energie und den Mut sich wie ihr auf diesen Weg zu begeben. Und wer weiß, was in den Köpfen in diese Moment eurer Anwesenheit vorgegangen ist? – zeigt nicht der eine Student der sich Euch anschloss, dass es sich nicht nur um eine homogene Gruppe Studenten “des Systems” handelte?
    Ich glaube was ich mir bei dem Artikel gewünscht hab ist, dass ihr Euch bewusst seid, dass es fantastisch ist was ihr auf die Beine stellt, und dass es aber eben auch ein mutvoller und priviligierter Schritt ist den ihr tut. Dass ihr die Kraft findet das Privileg (damit meine ich, dass es aus vielfältigen Gründen nicht jedem möglich ist sich die Zeit zu nehmen für eine solche Lebensbildungsreise, es ein Geschenk ist die Unterstützung für ein solches Vorhaben zu bekommen, sei es finanziell, moralisch usw.) zu nutzen um Anstöße zum Nachdenkenzu geben (was ihr in jedem Falle tut bin ich mir sicher) und dabei nicht vergesst, dass es darum geht Menschen zu begeistern und zu überzeugen, dass es Zeit für einen Wandel ist- und eben nicht diese etwas von oben herunterschauende Perspektive einzunehmen. Die will ich an dieser Stelle niemandem im Generellen unterstellen, doch impliziert der Artikel dies ein wenig- vielleicht, sicherlich sogar, aus dem Affekt der Bestürzung – das hat mich dennoch ein wenig traurig gestimmt. Manchmal kommt da ein wenig der bittere Beigeschmack des Vorwurfs hoch, dass es sich bei Studenten an staatlichen Universitäten um unbewusste, unreflektierte Menschen handelt. Ich bin selbst Studentin und an vielen Stellen stellen sich mir fundamentale Fragen gegenüber der Struktur in vielen Studiengängen. Und doch sehe ich es ebenso als Chance und Geschenk, Meinungen und Gegebenheiten die mir manchmal schwer fallen anzunehmen, als Anlass zu nehmen Dinge von anderen Seiten zu beleuchten, zu hinterfragen und dann vielleicht als Anlass zu nehmen eine verändernde Bewegung anzustoßen.
    Manchmal kann ein kleines rollendes Steinchen im großen Unibetrieb eine funkenflugartige Bewegung im Uni”system” zur Folge haben. Ganz von innen heraus.
    Die Entscheidung eine Universität zu besuchen ist für mich daran gekoppelt, dass ich mir bewusst bin, dass es sich um einen Ort der Theorie handelt, der wissenschaftlichen Praxis. Und auch an der Uni gibt es wahnsinnig engagierte Professoren, Dozenten und Studierende die versuchen trotz des Drucks der Bolognareformen und all der erschlagenden bürokratischen Folgen eine Bildung in vielfältiger Weise zu ermöglichen.
    Gern möchte ich nun am Ende noch einmal deutlich sagen, dass ich mich nicht in einer trotzigen Gegenreaktion zu Eurem Lauf sehe. Sondern ich es wunderbar und bewegend finde (!!!)- ich mir aber ebenso wünschen würde, dass an dieser (öffentlichen…) Stelle ein wenig mehr Vorsicht benützt wird im Ausdruck des Erlebten, da es sehr schade wäre wenn dies bei Menschen die sich innerhalb der staatlichen Bildungseinrichtungen bewegen eine Verteidigungsstellung hervorrufen würde anstatt Austausch, Bereicherung und Dialog..
    Nun wünsche ich Euch einen fruchtvollen weiteren Weg!

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  7. Ach, mensch.
    Ja, definitiv, da liegt unheimlich viel im Argen an den Unis heute – übervolle Lehrpläne und Hörsäle, Studienordnungen, die kein Prof. sich traut mehr zu ändern, und übermächtige Prüfungsämter, die mit Argusaugen den geordneten Ablauf der ganzen Veranstaltung ‚Uni‘ kontrollieren.
    Da treffen sicherlich einige Beobachtungen von Dir zu, aber ganz generell von einem Einführungskurs (!) auf den gesamten Laden zu schließen, wird leider der ganzen Situation nicht gerecht – denn es gibt sie noch – hervorragende Kurse mit engagierten DozentInnen und Studierenden. Doch das Umfeld ist aufgrund der zu geringen Ausstattungen der Unis (der gesamte Mittelbau, wiss. Assistenten und Doktroandenstellen ist praktisch abgeschafft!), dem Optimierungs- und Evaluationswahn, der Projektgebundenheit der meist kurzfristigen Drittmittel, und jetzt Achtung: STRUKTURELL antiwissenschaftlich. Also es hängt nicht nur am „blöden“ Prof. oder den noch blöderen Studis, sondern hat nicht zuletzt eine politische Dimension, die die Rahmenbedingungen setzt und über die Finanzierung entscheidet.
    Vielleicht so als kleiner Einwurf, aber ihr kommt ja auch noch nach Berlin – da sieht man sich ja eventuell.
    Stefan

    ps. und dann ist das Abstraktions-Bashing noch ganz schlimm 😉

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  8. Ich versteh das ganze Gewese nicht. Die Uni ist doch nicht das Problem. Das Problem sind die verwöhnten Gören die drin sitzen und jetzt auch noch finden, dass die Uni ihnen bitte ihre Individualität geben sollte. Die Uni ist nicht mehr und nicht weniger als ein Lieferant standardisierter Bildungsangebote. Was man aus diesen Standard-Angeboten bastelt ist so individuell, wie man halt dazu in der Lage ist. Kann so individuell sein, wie eine IKEA-Wohnung (mMn nicht sehr), kann auch so individuell sein wie die Bastel-Ergebnisse eines Baumarkt-Kunden. Ich finde gut, dass Ihr Suchende seid, finde das Gejammer etwas ärmlich und wünsche Euch (damit meine ich „Euch Studierende“), dass Ihr einfach mal die Angst ablegt und Euer Leben gestaltet, aus dem, was Euch angeboten wird. Keiner muss roboten, und die Zeiten für Individualität sind heute nicht schlechter als sonst auch – nur Mut!

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  9. Ich versteh das ganze Gewese nicht. Die Uni ist doch nicht das Problem. Das Problem sind die verwöhnten Gören die drin sitzen und jetzt auch noch finden, dass die Uni ihnen bitte ihre Individualität geben sollte. Die Uni ist nicht mehr und nicht weniger als ein Lieferant standardisierter Bildungsangebote. Was man aus diesen Standard-Angeboten bastelt ist so individuell, wie man halt dazu in der Lage ist. Kann so individuell sein, wie eine IKEA-Wohnung (mMn nicht sehr), kann auch so individuell sein wie die Bastel-Ergebnisse eines Baumarkt-Kunden. Die Kritik sollte an alle Eltern gehen, die ihren Kindern Angst machen mit ihrem eigenen Ehrgeiz und ihre an Leistung geknüpfte Liebe, die damit die Kreativität und den Mut auslöschen. Ich bin selbst als Selbständiger in der Lehrerfortbildung tätig und sehe auch immer wieder neben den vielen Guten und Engagierten die Fantasie-Krüppel, die sich um unsere Kinder kümmern: Die können es selbst nicht besser. Und btw.: Kaum einer von denen kennt die „freie Wirtschaft“. Angenommen, ihre Aufgabe sei tatsächlich, auf die „Knochenmühle des Kapitalismus'“ vorzubereiten, dann bereiten die vor wie der Blinde auf die erste Begegnung mit den Farben. Vielleicht sind sie aus lauter Angst davor auch Lehrer geworden…
    Ich finde gut, dass Ihr Suchende seid, finde das Gezeter um die Zustände etwas ärmlich und wünsche Euch (damit meine ich „Euch Studierende“), dass Ihr einfach mal die Angst ablegt und Euer Leben gestaltet, aus dem, was Euch angeboten wird. Keiner muss roboten, und die Zeiten für Individualität sind heute nicht schlechter als sonst auch – nur Mut!

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  10. Ein sehr schöner Post. Es besagt vieles über die modernen Zustände der Hochschulen.

    Ich glaube aber nicht, dass der Zynismus des Profs gewollt und bewusst war. Er ist letztendlich auch nur eine Schachfigur eines Spiels in einem System. Nicht nur Täter sondern auch Opfer seiner eigenen Taten und einer kollektiven Hypnose die die Bildungsszene beherrscht.

    Die einen denken Professoren wollen nichts ändern. Andere behaupten sie könnten nichts ändern, weil die Rahmenbedingungen es nicht erlauben. Ich denke dagegen, dass sie es schon könnten aber oft nicht wahrnehmen (und die Argumentation der Rahmenbedingungen ist auch manchmal eine leichte Ausrede). Aber Zweifel, mögliche Kritik und Widerstand der Kollegen, Unsicherheiten und manchmal sogar die Angst vor dem Neuen und vor den potentiellen Konsequenzen möglicher Änderungen, führt sie den einfachsten Weg entlang: der der Passivität wo man tolle Theorien entwickelt und Bücher über Pädagogik und Didaktik schreibt aber es dann nicht in die Praxis umsetzt.

    Die Rolle und Verantwortungen der Studenten ist dabei trotzdem nicht einflusslos. Obwohl die meisten natürlich für Veränderungen, Erneuerungen und Reformen plädieren, wenn es aber zu konkrete Vorschläge kommt die die Realität in der Praxis verändern könnten, sieht man viele wieder in Richtung Konservativer Denkmuster zurückrutschen. Auch hier ist man oft vom Furcht einjagenden Reflex „was wäre aber wenn….“ zurückgehalten, und dabei die kritisierten Dozenten mit dem herkömmlichen System mehr oder weniger bewusst somit weiter unterstützt. Wahr ist es, dass man Mut braucht für Systemänderungen, aber wenn wen man sich wirklich bewusst wäre in welch erbärmlichen Zustand unter dem pädagogischen Profil wir akzeptieren durch die Schul- und Hochschulen durchzugehen, dann würde man diesen Mut schon finden. Was H. Ford einst zum Geldsystem sagte („würden die Menschen verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert, hätten wir eine Revolution – und zwar schon morgen früh“) eignet sich bestens auch für das Bildungssystem. Aber Gewohnheiten, mechanische Denkmuster und mangelnde Bezüge auf Alternative Bildungserfahrungen überzeugen uns, dass es letztendlich doch nicht so schlimm sein kann.

    Und trotzdem sehe ich den Tag kommen, wo Selbstbildung nicht nur ein Slogan sein wird. Lernmethoden wie Lernen durch Lehren, blended learning, flipped teaching, self organized learning environments, project based learning, peer instruction, do it yourself university, sowie Achtsamkeit und kontemplative Verfahren könnten bald nicht mehr nur esoterische Begriffe weniger ausgeflippter Pädagogikfreaks sein, sondern eine allgegenwärtigen Realität in einer nicht-hierarchischen Bildungsgemeinschaft wo es weder Professoren noch Studenten geben wird, sondern nur noch Lernbegleiter und Selbstlernende. Und dann wird man zurückschauen und sich fragen wieso man überhaupt so lange das heutige System hat akzeptieren können…. 🙂

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  11. Klasse! Habt ihr nicht Lust, dieses Jahr mal in Rottenburg an der Hochschule für Forstwirtschaft vorbei zu gucken? Hier sind die Gegebenheiten ähnlich, wobei die Profs allerdings versuchen, so viel wie möglich draußen zu sein mit den StudentInnen … wenigstens das!

    Eigentlich sollte mensch meinen, dass gerade an den Unis die neuesten Forschungsergebnisse des Lernens auch tatsächlich angewandt werden. Es stellt sich schon die Frage, warum gerade das nicht passiert. Scheint eine Auswirkung der Unterordnung der gesamten Gesellschaft unter die Finanzdoktrin zu sein … alles muss schnell und möglichst ohne weiteres Nachdenken konsumiert, und dann entsprechend wiedergekäut werden. Eigenes Denken und eigene Kreativität ist da eher fehl am Platz.
    Letztlich verlieren wir dadurch als Gesamtgesellschaft jede Menge wunderbare Chancen, denn wir reduzieren uns durch alle Generationen hindurch zu Lakaien des Finanzsystems! Glücklicherweise klappt das nicht durchgehend, wie euer Post und eure Initiative zeigt! 🙂

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