Über den Zusammenhang von Klimastreik und Schulstreik


Tausende Schüler in ganz Deutschland streiken. Sie streiken, weil sie darauf aufmerksam machen wollen, dass diese Gesellschaft sich nicht um ihre Zukunft schert. Sie sagen, dass es keinen Sinn macht für eine Zukunft zu lernen, wenn diese verspielt wird. Es ist ein geschickter Schachzug: Sie bestreiken das eine, um auf das andere aufmerksam zu machen. Man könnte auch von einer Art positiver Erpressung sprechen. Doch in diesem Schachzug liegt eine riesige, noch ungeahnte Chance verborgen, die weit darüber hinaus geht nur den Druck auf Politiker zu erhöhen.

Denn das Eine und das Andere sind gar nicht zwei getrennte Dinge. Im Gegenteil hängen das aktuelle Bildungssystem und die zukunftslose Gesellschaft in vielerlei Hinsicht miteinander zusammmen. Bildung und Gesellschaft sind wie zwei Seiten einer Medallie. Die eine bringt die andere hervor. Darum ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass diese Gesellschaft den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht wird, wo sie doch auf einem Bildungssystem aus dem vorletzen Jahrhundert basiert. Irgendwie erscheint es sogar selbstverständlich, dass diese Gesellschaft die wichtigen und lebensrelevanten Themen missachtet, nicht zu verantwortungsvollem Handeln fähig ist und dass auch die Zusammenarbeit in der Politik nicht gelingt, wo doch alle Menschen durch eine Schule gehen, in der die wichtigen und lebensrelevanten Themen kaum vorkommen, wenig Selbstverantwortung zugemutet wird und so vieles auf Konkurrenz ausgerichtet ist.

Wenn wir dies erkennen, dann ist der Schulstreik nicht nur ein Protest gegen die Zukunftslosigkeit der Gesellschaft, sondern es ist ein Schritt raus aus einem System, dass diese zukunftslose Gesellschaft mit hervorgebracht hat und hervorbringt. Dann verweigern Schüler nicht einfach die Bildung, sondern sie verweigern genau jene Art von Bildung, die die Klima-, Umwelt- und Zukunftszerstörung mit verursacht hat und weiterhin dazu führt, dass wir unfähig sind dagegen etwas zu tun.

Diese Erkenntnis entkräftet nicht nur jeden Vorwurf, der sich darüber beklagt, dass doch gerade die Bildung so wichtig für eine Zukunft wäre und es darum doof wäre, die Schule zu streiken. Die wirkliche Chance dieser Erkenntnis liegt darin, dass sie die Möglichkeit gibt den Protest in eine Gestaltungskraft zu verwandeln. Denn auf die Zukunftslosigkeit der Gesellschaft hinzuweisen und dagegen zu protestieren ist unglaublich wichtig und doch bleiben wir als Schüler oder Studenten letztendlich machtlos und von den Handlungen anderer abhängig. Die Gestaltung unserer Bildung aber, können wir selbst in die Hand nehmen.

Dann könnte es passieren, dass Schüler einfach selber beginnen sich die Fähigkeiten und das Wissen anzueigenen, dass sie für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft brauchen und anfangen Ideen und Projekte zu entwickeln, die den Klimawandel aufhalten und die Welt zukunftsvoll machen. Dass sie nicht nur die bisherige Bildung und Gesellschaft bestreiken, sondern gleichzeitig beginnen sich auf die Suche nach einer neuen Bildung und Gesellschaft zu machen. Vielleicht wird der Freitag dann zu einem ersten Tag, an dem Schüler schon einfach mal die Utopie leben. Vielleicht folgen dann bald weitere Tage. Und dann könnte es passieren, dass aus einem lebendigen Bildungssystem, in dem Menschen sich mit sinnvollen und drängenden Fragen auseinandersetzen dürfen, eine zukunftsvolle Gesellschaft erwächst, die auch sinnvolle Antworten, auf die drängenden Herausforderungen unserer Zeit geben kann.

Wenn dies passieren würde, dann wäre die Weigerung Freitags in die Schule zu gehen nur der erste Schritt, auf einem langen, aber verheißungsvollen Weg. Es gibt hundert verschiedene nächste Schritte auf diesem Weg. Das Schulstreik-Camp ist einer davon.

Funkenflug.de/Schulstreikcamp

Kommentar (1) Schreibe einen Kommentar

  1. Ich glaube, es war auch ein Beitrag von Emil, der sich hier mal gegen die Schul-Streiks wendete — und dem ich deshalb widersprach…
    Die jetzige Argumentations-Logik in Emils Artikel ist richtig: Wir haben ein System, gerade auch Bildungs-System, was die Menschen so als ‚augenblicks-belohnungs-süchtig‘ hin-stellt und hin-dressiert (‚kurzsichtige Konsum-Hamster‘, voll-gestopft mit Job-Wissen und geld-fixiert), dass ihnen dadurch die Fähigkeit zu langfristigem Verantwortungs-Bewusstsein und -Handeln regelrecht abgesprochen und genommen wird…
    Fortsetzung dieser Oberflächlichkeits- und Sucht-Dressur kann nur schief gehen und in eine „(kybernetische) big-brother-Diktatur“ führen… ((wie ich in einem der letzten Beiträge in meinem „Schenker-Blog“ http://www.dieschenker.wordpress.com ausführlicher erkläre…))
    Da rennen Schüler viele Jahre in die Schule — und bekommen NICHT die entwicklungs-psychologische Definition von Persönlichkeits- und Verantwortungs-Reife erklärt (das „postconventional level“)! Und auch NICHT die Grund-Maßstäbe reifer Demokratie („Beutelsbacher Konsens“ etc…)! Und es kommen keine (tabuisierten!) Fragen auf den Tisch wie: „Darf man herrschen lassen, wer Einen vorher nicht gefragt hat und nicht mit globalen Verantwortungs-Argumenten überzeugt hat?“ — wodurch schnell klar würde, was für ein ‚welt-verbrennender‘ Skandal es ist, dass Bürger ihren gewählten Politikern schadens-ausgleichend(!) hinterher rennen müssen (siehe z.B. Hambacher Forst und Greta Thunberg), statt dass die Politiker „verlängerte Arme und Hebel des Verantwortungs-Handelns“ wären… Entweder liegt der Fehler dann darin, dass die Wähler gar nicht ‚globale Verantwortung‘ wollen — oder die Form der Macht-Delegation ist Murks! (Es liegt in schlimmer Weise an Beidem! Siehe die von mir genannte ‚Tabu-Frage’…)
    Solche Art von Bildung schleust sozusagen die Kinder durch die Schulen zum ‚Lebens-Führerschein‘ — ohne ihnen die ‚Fahr-Kompetenz‘ (echte Mündigkeit, Reife, postconventional level) erlernbar zu machen! Und dementsprechend wird bei der Vergabe der ‚Lebens-Führerscheine‘ auch gar nicht nach Reife gefragt oder geschaut, sondern da geht es nur nach einem formalen Alter (18)…
    Das sind alles nur „bricks in the wall“ der großen, die Menschen selbst- und einander entfremdenden ‚System-Mauer’…
    Könnt Ihr es durch-schauen? Wollt Ihr es wirklich ändern? — Ich habe mir mit 13 Jahren die postconventional-level-Reife eigen-didaktisch beigebracht… Wenn Ihr meint, es kann Euch was bringen, freut ich mich über Austausch…
    Namaste.
    Öff Öff
    global-love.eu

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