Zehn kleine Funkenflieger….

  … jetzt sind es nur noch zwei.

Regen, Kälte, Fieber und Erkältung, Prüfungen und Familienfeiern hatten unsere kleine Gruppe drastisch dezimiert. Und inzwischen hat sich die Freiburger-Laufgruppe in Luft aufgelöst. 

  Nach dem Start auf dem Rathausplatz ging es frohen Mutes steil in den Schwarzwald hinauf und für mich war es ein sonderbares Gefühl, nun zum dritten Mal und doch so ganz anders von Freiburg in Richtung Berlin zu starten. Viele Erinnerungen kamen bei mir hoch. All die Erlebnisse der letzten beiden Jahre haben mein Leben grundlegend verändert. Die beiden Läufe hatten meine Zuversicht, dass sich immer ein guter Weg findet, auch aus scheinbar aussichtslosen Situationen, gestärkt. Und doch hatte ich dieses Mal ein wenig Angst, ob wir Übernachtungen finden würden, ob ich gleich von Anfang an, ohne mich ein paar Tage einzulaufen, das doppelte Gewicht von meinem Töchterchen und dem Rucksack schaffen würde, ob sich genug Läufer finden, die mitkommen usw.

Letztlich hat sich ein Teil dieser Angst zerstreut, nachdem wir erst einmal losgelaufen sind. Gut, wir waren eine Mini-Gruppe, aber auch das war sehr angenehm, wir konnten ganz spontan entscheiden, wann wir z.b. Pause machen wollten und hatten sehr persönliche Gespräche. Wir waren sehr sehr langsam, ich musste mir eingestehen, dass ich noch längst nicht in Form bin, so viele Höhenmeter mit dem ganzen Gewicht zu machen. Aber es war ok. Wir gingen es ruhig an. 
Am Abend verließ uns Anna-Lena mit ihrem kleinen Söhnchen (mit seinen 9 Monaten wohl der jüngste Teilnehmer des Laufs). Es war von Anfang an klar, dass sie nur am ersten Tag mit starten konnten. 
Und damit zeigte sich auch, was ich bisher noch nicht richtig zugelassen hatte. Ich sah, dass unserer Gruppe etwas Maßgebliches fehlte. Es gab niemanden, der wirklich von hier nach Berlin laufen wollte. Ich selbst hatte mir vorgenommen ein paar Lauf-Starts zu begleiten und es war klar, dass ich nach spätestens einer Woche die Gruppe verlassen würde. Bei Lara stand es ähnlich. Es nützt also scheinbar nicht so viel, zu sagen, ich starte mit. Es ist, damit sich weitere Leute finden und eine Gruppe entsteht, wichtig zu sagen: Ich laufe von hier die ganze Strecke.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass nur ein Einziger hier der Gruppe eine ganz andere Energie gegeben hätte.
Diese Erkenntnis lässt sich bestimmt auch auf andere Lebensbereiche anwenden…
  
Natürlich habe ich mich gefragt, warum ich selbst nicht vor hatte, diese Strecke komplett zu gehen. Nun, zu einem gewissen Teil liegt es an der dreimaligen Wiederholung des gleichen Weges, aber es hat auch damit zu tun, dass ich meine Erfahrungen und auch die Verantwortung gern weiter geben möchte. Deshalb habe ich noch immer vor, all diejenigen, welche bei ihrem Start noch Unterstützung brauchen, zu begleiten und ihnen zu helfen, erste Hindernisse zu überwinden.
Aber zugegeben, Diejenigen gab es dieses Jahr in Freiburg nicht, oder wir haben sie nicht gefunden, oder wir haben nicht richtig gesucht. (was wohl richtiger ist) 

 

Trotz allem verließ unsere Mini-Gruppe zu diesem Zeitpunkt nicht die Hoffnung, dass vielleicht doch noch jemand dazu kommt und den Staffelstab weiter trägt. Wir suchten also in alter Manier nach einem Platz für die Nacht. Nach ein paar Fehlschlägen und dem freundlichen Angebot in die Jugendherberge gefahren zu werden, fanden wir eine sehr netten Milchbauer, der uns seinen Heuboden überließ und noch ein wenig mit uns über neue Herrausforderungen seiner Branche plauderte. 
Glücklich und zufrieden streckten wir die erschöpften Glieder ins Heu und schliefe mit dem freudigen Gefühl ein, hier im Dorf schon am ersten Tag ein paar Leute überrascht und zum Nachdenken gebracht zu haben.  

 

Am nächsten Morgen weckten uns die Mücken und Lara erwachte mit Fieber. Es war klar, dass sie nach Hause muss, noch ein paar hundert Höhenmeter in dem Zustand wären übel geworden. Wie brachten sie zum Bus. 

 

Von nun an stand ich allein mit meinem Töchterchen da und wir liefen natürlich weiter.
Oder naja, so natürlich war das nicht. Ich fragte mich sehr nach der Sinnhaftigkeit dieses Laufens. Wofür mach ich das? Für mich? Für die, die vielleicht doch noch dazu kommen könnten? Für den Wandel in der Bildung??? Klingt das, weswegen wir vor zwei Jahren zum ersten Mal gelaufen sind, nicht gerade am absurdesten?
Komischerweise nicht. Ich glaube noch immer, dass sich in den Schulen, Unis und auch sonst etwas ändern muss und ich glaube immer noch, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben ein guter ist. Vielleicht sogar der Einzige. Es fällt mir einfach nichts Besseres ein, als auf Menschlichkeit zu setzten. Und wo kann man das am Besten üben, als auf dem Lauf?
Und wenn ich mir das ganze verzwickte Schulsystem anschaue, dann fühle ich mich eher ohnmächtig. Wo anfangen? An welcher kleinen Schraube drehen? Oder am Besten alles auf Anfang? Aber wie soll das gelingen? Irgendwie ist Laufen dann im Vergleich doch gar nicht mehr so sinnlos. Wenn auf diesem Weg immer wieder Menschen zum Nachdenken angeregt werden und wir sachte und leise einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir alle als Gesellschaft anders denken und dann auch anders handeln, dann ist das schon eine ganze Menge.  

 

Philine und ich verbrachten nun einen schönen Tag im Wald und sind nicht einmal 10 Kilometer voran gekommen. Aber das zählt nicht. Wir haben viel entdeckt. Und vielleicht ist, dass Vater und Tochter einen Tag allein in der Natur hatten, in diesem Moment die wahre Qualität einer „Bildungsveranstaltung“?
Dennoch meinte Philine, dass wir doch gar keine Gruppe mehr sind und dass sie ohne Gruppe nicht weiter laufen will. Und irgendwie hat sie ja recht. Allein bewegen wir nicht all zu viel. Wir brauchen eine Gemeinschaft, gerade wenn es um die Entwicklung von Kindern geht. 
„I’ve learned so much from my mistakes, I think about making a few more“
Also gut, verhalten wir uns fehlerfreundlich und freuen uns über die Erkenntnisse, die wir aus ihnen ziehen durften. Ich gestehe mir ein, dass sich die Freiburger Gruppe aufgelöst hat und das niemand dazu kommen wird, der die nächsten Wochen weiter läuft. Aber ich bin dankbar für die zwei Tage und freue mich auf den nächsten Start am 15. Mai in Regensburg, der ganz andere Voraussetzungen hat.
Wer von Euch Lust hat, da mit dabei zu sein, kann sich gern bei mir melden, ich freu mich drauf.  

 

Jan@Funkenflug.de
01794510844

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